Interview - Politologe: Ampel soll sich auf gemeinsame Erfolge konzentrieren
Immer wieder knirscht es in der Ampel-Koalition. Aktuell sorgt erneut die Kindergrundsicherung für Streit zwischen den drei Regierungsparteien. Die Koalitionsparteien müssten sich wechselseitig mehr gönnen, meint der Politologe Wolfgang Merkel.
Kindergrundsicherung, Klimaschutz, Haushalt – in der Bundesregierung sorgen diverse Themen immer wieder für Streit. Vereinbarungen kommen nur unter größten Anstrengungen zustande. Diese Streitigkeiten haben Folgen: Die Bürger verlieren das Vertrauen, wie der aktuelle ARD-Deutschlandtrend von Infratest Dimap zeigt. SPD und Grüne liegen demnach nur noch bei 15 Prozent, die FDP würde mit 4 Prozent aus dem Parlament fliegen.
Merkel: Parteien können nur gemeinsam gewinnen
Was müsste die Koalition anders machen, um beliebter zu werden? "Mein Ratschlag wäre: Sie sollen sich wechselseitig mehr gönnen, sie sollen nicht gebannt auf jede Umfrage starren, sondern sie sollen erkennen, dass gemeinsame Erfolge [...] sich für alle auszahlen", sagt Wolfgang Merkel, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. "Sie können nur gemeinsam gewinnen und nicht gegeneinander."
Immer wieder wird über schlechte Politik-Kommunikation der Ampel gesprochen, obwohl die praktische Arbeit eigentlich ganz gut funktioniert. Eine Bertelsmann-Studie hat der Arbeit der Regierung im September eine gute Note ausgestellt. "Da die Lösungen [...] nicht schnell genug geliefert werden - auch wenn relativ viel vom Koalitionsvertrag abgeräumt worden ist - stechen natürlich bestimmte Probleme heraus." Beispiele seien die Uneinigkeit in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine, der Streit über die Kindergrundsicherung oder das Gebäude-Energie-Gesetz.
Politologe: FDP betreibt "Versuch eines politischen Suizids"
In der FDP diagnostiziert Merkel den "Versuch eines politischen Suizids". Die Partei kämpfe darum, nicht unter die Fünf-Prozent-Hürde zu fallen. "Da ist Krawall in der [...] politischen Kultur in Deutschland eindeutig das falsche Mittel." Die FDP spiele ihre Trumpfkarten als freie, liberale Partei nicht aus und verfolge die falsche Strategie.
Trotz aller Konflikte geht der Politologe davon aus, dass die Ampelkoalition bis zur nächsten Bundestagswahl 2025 halten wird. "Allein schon deshalb, weil alle drei Regierungsparteien bei vorgezogenen Neuwahlen Misserfolge und Niederlagen fürchten müssen."